Der Erker als Sitz der Frau . Kulturgeschichtliche Überlegungen zu meinem Arbeitszimmer

Ich liebe mein Arbeitszimmer! Seine Lage ist perfekt – ein Zimmerchen, das durch eine Schiebetür vom großen Wohn-Esszimmer getrennt ist und dessen große Glastüren sich auf eine herrliche Terrasse mit Ausblick auf den Wienerwald öffnen. Eine Reihe Regale mit Wälzern der Kustgeschichte, Märchenbüchern, Biographien sowie DIY-Büchern zieren die Wände. Eine weiße Kommode versucht der zahlreichen Stoffbahnen Herr zu werden, die ich in meinem Stoffwahn horte. Eine Nähmaschine steht auf meinem Arbeitstisch, daneben eine Overlockmaschine, die ich nach einem Jahr noch immer nicht in Gang gebracht habe und über allem thront in einem Regal meine Kamera. So versucht dieser Raum meinen doch mittlerweile zahlreichen Interessen eine trautes Heim zu bieten. Meistens herrscht hier doch das Chaos – zwei unausgepackte Kartons künden noch vom Umzug, der schon mehr als ein halbes Jahr her ist. Eine weitere Kiste füllt sich mit abgelegtem Babygewand, weil Finley so schnell wächst.

Jedes Mal, wenn ich mich in meinem Arbeitszimmer niederlasse, fällt mir der Titel einer kunstgeschichtlichen Arbeit ein, die ich zusammen mit meiner Kollegin Heike Eipeldauer ganz am Anfang unserer Studentenlaufbahn verfasst habe – eine Proseminar – Arbeit mit dem Titel “Der Erker als Sitz der Frau”.

Thema des Seminars waren geschlechtsspezifische Räume um die Jahrhundertwende – also mehr oder weniger wie weibliche und männliche Räume gestaltet wurden. Heike und ich beschäftigten uns mit dem Phänomen des Erkers – der als Arbeitsplatz für die Hausherrin gedacht war. Oft als Teil des Salon/Wohnzimmers/Boudoirs von dem er durch ein Geländer getrennt war, sollte dieser Platz Innen (Wohnung) und Außen (Straße) miteinander verknüpfen –

Der Erker stellt einen Schwellenbereich dar, der verhaltensbedingt eine Vermittlerfunktion zwischen dem Binnenbreich der Wohnung mit hohem Privatheitsgrad und dem Außenbereich mit öffentlichen Charakter einnimmt. Er fördert somit die Kommunikationsbereitschaft.

So lässt uns das noch erhaltene Handout wissen. Gut, mein Zimmer geht über die Terrasse in den Garten hinaus, aber es lässt mich doch an einem stark erweiterten Familienleben teilhaben (vor allem samstags)

Es geht noch weiter:

Die Frau ist die Herrscherin der Wohnung (natürlich nur ein Idealbild), von ihrem Thron aus kann sie den Haushalt dirigieren, gleichzeitig am äußeren Geschehen teilhaben und dieses indirekt beeinflussen.

Ich fürchte, ich dirigiere niemanden und mein Wirken ist immer sehr direkt.

Auf einer anderen Ebene kann man den Erker mit seinem Podest, seiner “Apsis” und seinem “Lettner” auch als Altar sehen, in dem die Frau als Heilige Madonna sitzt, die alle diese schönen Tugenden zu verkörpern hat, die man der Heiligen Jungfrau eben zuschreibt. Duch diese Inthronisation wird sie einerseits erhöht, doch gleichzeitig von ihrer Umwelt abgesondert (…)

an anderer Stelle liest es sich so:

Betrachtet man andererseits das Geländer, das den Erkerraum vom Hauptraum abgrenzt, so liegt der Vergleich mit einem Käfig nah: “Und hauste nicht die Tante wie ein Vogel, der reden konnte in ihrem Bauer?” (Zitat, Walter Benjamin, Berliner Kindheit um 1900)

Ich gebe zu, ich fühle mich nicht sehr madonnenhaft und auch nicht eingesperrt, wenn gleich einem mit zwei kleinen Kindern daheim die Decke schnell auf den Kopf fallen kann- aber irgendein Echo jener Epoche schwingt in mir nach, wenn ich mich nächtlings in meinen Raum begebe. Woran es liegt, kann ich nicht ganz festmachen. Ich denke, an all die “Noras” in ihren “Puppenheimen”, an all die “Feen, die ein ganzes Tal durchwirken, ohne noch je darein hinabzusteigen” (Zitat Walter Benjamin “Berliner Kindheit um 1900”)

Vielleicht ist es dieser Teil des Referats, der dies auslöst:

Die Dame des Hauses, die selbst Geborgenheit und Schutz gibt als Mutter gegenüber ihren Kindern, als Hausfrau, die das große Nest gemütlich und wohnlich macht, wird durch den Erker genau in diesen Schutz gestellt.

Jetzt ist es schon fast Mitternacht und ich fürchte, viel Sinn werde ich mit diesem Blogeintrag nicht mehr machen. Die Augen fallen mir schon fast zu…

Ich bin dankbar für mein schönes Heim im Heim, mein kleine Zuflucht.

Gute Nacht,

eure Elisa

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